Gefährdungshaftung bei passiven Unfällen
Auf einer Bundesautobahn ereignete sich im August 2018 eine Massenkollision. Das klägerische Fahrzeug (2) sowie ein weiteres Beteiligtenfahrzeug (3) befuhren zu diesem Zeitpunkt die rechte Fahrbahn und verlangsamten ihre Fahrt, da vor ihnen ein Stau auftauchte. Eine weitere Beteiligte (1) kam von hinten mit 120 km/h auf der Überholspur angefahren. Aus ungeklärter Ursache wechselte sie auf die rechte Fahrbahn und prallte dabei ungebremst in das Fahrzeug des Klägers. Bei der Fahrerin wurde eine Atemalkoholkonzentration von 1,1 Promille gemessen.
Durch die Wucht des Aufpralls wurde das klägerische Fahrzeug (2) auf das weitere Beteiligtenfahrzeug (3) geschoben und dieses wiederum auf ein voranfahrendes Fahrzeug (4). Der Kläger (ein 10 jähriger Junge im Fond des Klägerfahrzeugs) ist seit dem Unfall vollständig pflegebedürftig. Seine Großmutter sowie seine Schwester starben in Folge des Unfalls. Die anderen Unfallbeteiligten wurden ebenfalls teilweise schwer verletzt.
Die Haftpflichtversicherung des Klägers sowie die der Unfallverursacherin erklärten eine gesamtschuldnerische Haftung für die Schäden des Klägers. Die Parteien streiten darum, ob der zweite Aufprall (zwischen Fahrzeug 2 und 3) zu weiteren Verletzungen beim Kläger geführt hat und somit die Beklagte (3) für die Unfallfolgen des Klägers einstandpflichtig ist.
Das Landgericht wies die Klage ohne Beweisaufnahme ab. Das OLG hingegen kam zu dem Ergebnis, dass die Beklagte als Gesamtschuldnerin für alle Folgen des Verkehrsunfalls gem. §7 Abs. 1 StVG, §115 Abs. 1 Satz Nr. 1 VVG und §421 BGB hafte.
Die Gefährdungshaftung eines Fahrzeugs erfasst auch solche Fälle, in denen das Fahrzeug passiv in einen Verkehrsunfall gerät und weitere Schäden und unbeteiligten Dritten verursacht. Wie etwas bei einer Massenkollision aufgrund von Schleudervorgängen geschädigter Fahrzeuge.
Quelle:
- OLG Celle, Urt. v. 10.05.2023, Az.: 14 U 56/21
Hinweis: Der Artikel stammt vom 05.09.2024. Durch Zeitablauf kann sich die Rechtslage geändert haben. Aufgrund der verkürzten Darstellung ist eine umfassende Erörterung der jeweiligen Sach- und Rechtslage hier nicht möglich. Der Text kann eine professionelle Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrs- und Strafrecht nicht ersetzen.