Alkohol am Steuer

Für geübte Trinker wird’s gefährlicher! MPU droht jetzt schon ab 1,1 Promille

Zur Klärung von Eignungszweifeln an der Fahrerlaubnis ist auch dann ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzubringen, wenn der Betroffene bei einmaliger Trunkenheitsfahrt mit einem Kraftfahrzeug zwar eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille aufwies, allerdings bei einer immer noch hohen BAK von 1,1 Promille oder mehr keine (alkoholbedingten) Ausfallerscheinungen zeigte.
Normalerweise begründen in einem solchen Fall, wie §13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. A Alt. 2 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) voraussetzt, Tatsachen die Annahme von (künftigen) Alkoholmissbrauch.

Sachverhalt:

Nach einer Trunkenheitsfahrt, bei der die BAK des Klägers 1,3 Promille lag, verurteilte ihn das Strafgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§316 Abs. 1 und 2 StGB) und entzog ihm die Fahrerlaubnis. Der Kläger beantragte die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Die beklagte Stadt forderte ihn daraufhin nach §13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a FeV auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Die Frage, ob er trotz der Hinweise auf Alkoholmissbrauch ein Fahrzeug sicher führen könne und nicht zu erwarten sei, dass er ein solches unter der Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholeinfluss führen werde, galt es zu klären. Da der Kläger das Gutachten nicht vorlegte, lehnte die beklagte Stadt den Neuerteilungsantrag, gestützt auf §11 Abs. 8 Satz 1 FeV ab.

Das VG Kassel wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Entgegen der Auffassung der Stadt und des VG änderte aber der VGH Hessen, bzgl. der Berufung des Klägers das Urteil ab und verpflichtete die beklagte Stadt die beantragte Fahrerlaubnis ohne Beibringung des MPU Gutachtens zu erteilen. Es genüge die einmalige Trunkenheitsfahrt und das Fehlen von Ausfallerscheinungen im Sinne von §13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV nicht, um die Anforderung des MPU Gutachtens zu rechtfertigen.

Das Berufungsurteil wurde vom BVerwG geändert und die Berufung des Klägers wurde gegen die erstinstanzliche Entscheidung zurückgewiesen.
Da der Kläger kein positives MPU Gutachten beibrachte, durfte die Beklagte nach §11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen. Die Forderung der Beibringung des Gutachtens stützte sich auf §13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV. Wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend getrennt werden können, dann liegt nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zu FeV ein Missbrauch vor.

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts (VGH Hessen) steht §13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV der Anwendung der von der Beklagten herangezogenen Regelung nicht entgegen.
Es lässt sich weder aus dem Wortlaut, der Systematik noch aus der Entstehungsgeschichte von §13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und c FeV entnehmen, dass dem hinter „c“ Stehenden eine solche Sperrwirkung zugesprochen wird, dass ein Rückgriff auf „a“ ausscheidet.
Ebenfalls besteht bei hoher Alkoholgewöhnung aufgrund des Trinkverhaltens eine erhöhte Rückfallgefahr. Außerdem kann die sog. Giftfestigkeit u.a. dazu führen, dass der Betroffene die Auswirkungen seines Alkoholkonsums auf die Fahrsicherheit nicht mehr realistisch einschätzen kann.
Trotz fehlender alkoholbedingter Ausfallerscheinungen während der Trunkenheitsfahrt mit einem hohen Blutalkoholpegel, liegt in dem Umstand eine aussagekräftige Zusatztatsache im Sinne von §13 Satz 1 Nr.2 Buchst. c Alt. 2 FeV vor. Dieser Umstand rechtfertigt die Anforderung eines MPU Gutachtens.
Von einer Alkoholgewöhnung kann dann ausgegangen werden, wenn der Betroffene bei seiner Trunkenheitsfahrt eine BAK von 1,1 Promille oder mehr aufweist und keine Ausfallerscheinungen zeigt.

 

Quelle:
BVerwG, Urteil vom 17.03.21, Az.: 3 C 3/20 (Pressemitteilung)
VG Kassel, Urteil vom 12.11.2018, Az.: 2 K 1637/18.KS
VGH Kassel, Urteil vom 22.10.2019, Az.: 2 A 641/19

Hinweis: Der Artikel stammt vom 24.03.21. Durch Zeitablauf kann sich die Rechtslage geändert haben.

 

 

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