Kein Schadensersatz bei einem sog. berührungslosen Unfall, wenn das behauptete Unfallgeschehen – schon physikalisch – unplausibel ist
„Wen man nicht sieht, dem will man auch nicht ausweichen“. (So sinngemäß das OLG Hamm in einem Verkehrsunfallurteil.)
Der Fall lag wie folgt vor:
Der Ehemann der Klägerin fuhr mit ihrem Fahrzeug. Die Beklagte sei ihm mit ihrem PKW entgegengekommen, aus Unachtsamkeit auf seine Spur geraten, weshalb er nach rechts habe ausweichen müssen. Dabei sei er mit einem am rechten Fahrbahnrand parkenden Wagen kollidiert (berührungsloser Unfall zwischen Klägerin und Beklagter).
Das zunächst angerufene Landgericht gab der Klage im Wesentlichen statt. Das für die eingelegte Berufung zuständige OLG Hamm hatte aber erhebliche Zweifel an der Unfallschilderung der Klägerin. Die unmittelbaren Unfallbeteiligten kannten sich (zumindest teilweise). Das Fahrzeug der Klägerin wurde darüber hinaus in der Werkstatt des Ehemanns, der Eigentümer des am rechten Straßenrand geparkten Fahrzeugs, repariert. Das OLG holte – wohl auch wegen dieser Auffälligkeiten – ein verkehrsanalytisches Unfallgutachten ein. Der Gutachter kam darin zu dem Ergebnis, dass die Unfallschilderung der Klägerin (bzw. ihres Ehemannes) nicht plausibel sei, da wegen eines Kurvenverlaufs das gegnerische Fahrzeug zum Zeitpunkt des behaupteten Ausweichmanövers noch gar nicht sichtbar sein konnte.
Das OLG wies die Klage insgesamt ab, wobei die Urteilsgründe auch zeigen, dass das OLG die Frage eines gestellten Unfalls (gewinnorientierte Abrechnungsweise) sehr konkret vor Augen hatte.
Quelle:
OLG Hamm, 31.08.2021, 9 U 141/19
Hinweis: Der Artikel stammt vom 05.01.2022. Durch Zeitablauf kann sich die Rechtslage geändert haben.